Der Thurgauer Regierungsrat lehnt die Mehrheit der vom Bund vorgeschlagenen Massnahmen für eine Impf-Offensive ab. Eine nationale Impfwoche kann er sich vorstellen, Beratungsgutscheine hingegen würden falsche Anreize setzen. Zudem beantragt der Thurgauer Regierungsrat, die Impfquote um die Angabe der Anzahl genesener Personen zu ergänzen und auch die nicht-impfbaren unter zwölfjährigen Personen aus der Berechnung der Impfquote auszunehmen. Seine Position hat die Regierung mit den anderen Ostschweizer Kantonen abgesprochen.
Der Bund hat eine Impf-Offensive erarbeitet, die er mit den Kantonen umsetzen will und ihnen zur Stellungnahme unterbreitet hat. Sie beruht auf vier Pfeilern: nationale Impfwoche, mobile Beratungs- und Impfstellen, individuelle Information und Beratungsgutscheine. Im Grundsatz teilt der Regierungsrat des Kantons Thurgau wie die anderen Ostschweizer Kantone die Haltung des Bundesrates, dass eine hohe Impfquote der Weg zurück in die Normalität ist. Der Regierungsrat unterstützt daher auch das Vorhaben einer nationalen Impfwoche. «Zu prüfen wäre zudem die Idee, betriebsspezifische Impfwochen zu unterstützen. Während der nationalen Impfwoche könnte zum Beispiel in jedem Bezirk eine Walk-in-Möglichkeit geschaffen werden», schreibt der Regierungsrat in seiner Vernehmlassungsantwort ans Eidgenössische Departement des Innern.
Die weiteren Massnahmen, insbesondere die Beratungsgutscheine, erachtet der Regierungsrat jedoch als nicht opportun und lehnt sie entschieden ab. Der individuelle Entscheid, sich impfen zu lassen, soll weiterhin persönlich getroffen werden können. Die Schaffung von Gutscheinen sei ein Hohn, wenn damit die Impfzögerer zu monetärer Belohnung Dritter führen würden. Die Anreize würden dahingehend falsch gesetzt, dass kritische Personen möglichst lange warten sollten, weil der Staat dereinst eine Belohnung für solidarisches Handeln ausrichten werde. Vielmehr sollte der Bundesrat aus Sicht des Regierungsrats darum besorgt sein, dass impfende Leistungserbringer (Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker) kostendeckende Tarife haben, die einen echten Anreiz bieten.
Ausserdem fordert der Regierungsrat, dass die Schweiz eine aussagekräftige und international vergleichbare Impfquote berechnet und kommuniziert. Er beantragt daher, die Impfquote um die Angabe der Anzahl genesener Personen zu ergänzen und die nicht-impfbaren unterzwölfjährigen Personen aus der Berechnung auszunehmen. Auf dieser Basis soll der Bund eine Zielimpfquote festlegen, die automatisch zur Aufhebung aller Massnahmen führt. «Das würde der Bevölkerung eine Perspektive geben und eine Motivation, die Zielimpfquote zu erreichen», schreibt der Regierungsrat.
Verlängerung des Notrechts soll befristet werden
Die vorgeschlagene Verlängerung verschiedener Bestimmungen im Covid-19-Gesetz und im Epidemiengesetz begrüsst der Regierungsrat im Grundsatz. Allerdings weist er in seiner Vernehmlassungsantwort darauf hin, dass es sich um Notrecht handelt. So liege die oberste Gewalt im Bund nicht mehr bei Volk und Ständen, sondern aufgrund einer Notlage und zugunsten der Handlungsfähigkeit der Schweiz ausnahmsweise und zeitlich befristet beim Bundesrat. Aufgrund der aktuellen und kommenden Lage, namentlich einer ausreichenden Impfquote oder möglicher Medikamente gegen Covid-19, erscheint dem Regierungsrat die vorgeschlagene Verlängerung bis Ende 2022 staatsrechtlich grenzwertig. Zudem sei das Parlament handlungsfähig. Ebenso sei nicht ersichtlich, worin die Notlage bestehe, die den Grund dafür darstelle, dass die Macht von Volk und Ständen auf den Bundesrat übertragen werden müsse. Der Regierungsrat regt daher an, die Verlängerung bis Ende März 2022 zu befristen. Dies biete genug Zeit, um das Parlament an zwei ordentlichen Sessionen einzubeziehen und eine gesetzliche Grundlage auf dem ordentlichen Weg aufzugleisen.
Vernehmlassungsantwort_Impfen.pdf [pdf, 1.9 MB]
Vernehmlassungsantwort_Covid_Gesetz.pdf [pdf, 559 KB]
Quelle: tg.ch
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