Die Windenergie soll zu einem Standbein unserer künftigen Versorgung mit heimischer Energie werden – speziell zur Deckung der Winterstromlücke. Darüber sind sich die zuständigen Regierungsmitglieder der Kantone Appenzell Ausserrhoden und Innerhoden, St. Gallen, Thurgau und Zürich einig. Es brauche einen neuen Pioniergeist, betonten sie an einer gemeinsamen Medienkonferenz in Winterthur.
Angesichts der Klimakrise und der unsicheren internationalen Energieversorgungslage müssen wir mehr Energie hier bei uns produzieren – und zwar aus erneuerbaren Quellen. Windenergie ist klimafreundlich und unerschöpflich. Und sie ist die ideale Ergänzung von Energie aus Sonne und Wasser – denn Windenergieanlagen produzieren viel Winterstrom. Die zuständigen Vertreterinnen und Vertreter aus den Kantonsregierungen der fünf benachbarten Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerhoden, St. Gallen, Thurgau und Zürich sind sich einig, dass es einen neuen Pioniergeist braucht, um auch bei uns erfolgreich Projekte für Windenergieanlagen zu realisieren.
Die besten Standorte nutzen – unabhängig von Kantonsgrenzen
Die Frage sei nicht, ob Windenergieanlagen eher in ländlichen Gebieten oder in städtischen Agglomerationen gebaut werden sollen. Es gehe einzig darum, die besten und geeignetsten Standorte zu finden, um die Bevölkerung auch künftig sicher mit Strom versorgen zu können. Ganz im Geiste vergangener Generationen, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannten, dass eine sichere Versorgung mit einheimischem Strom der Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand ist. Dies führte damals zur Gründung der Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK, heute Axpo) und dem Bau der bis heute entscheidend zur Versorgung beitragenden Kraftwerke in der Nordostschweiz.
Die fünf Regierungsmitglieder beleuchteten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln und gaben Einblick in den Stand von Planungen und Projekten in den jeweiligen Kantonen:
AR: Einfluss auf das Landschaftsbild – aber rückbaubar
Der Ausserrhoder Vorsteher des Departements Bau und Volkswirtschaft, Regierungsrat Dölf Biasotto, wies darauf hin, dass Windenergieanlagen durchaus Einfluss auf das Landschaftsbild haben; insbesondere auch im Streusiedlungsgebiet von Appenzell Ausserrhoden. Aktuell seien aber auch Windenergieanlagen nötig, um eigenständig die Stromproduktion innerhalb der Schweiz sicherzustellen. Dazu muss auch Appenzell Ausserrhoden seinen Beitrag leisten. «Windenergieanlagen sind rückbaubar, wenn sie nicht mehr benötigt werden und beeinflussen das Landschaftsbild je nach Entwicklung nicht für die Ewigkeit. Mit einer sorgfältigen Planung können die Einflüsse auf die Landschaft reduziert werden», so Regierungsrat Biasotto.
AI: Planung weit fortgeschritten
Der Prozess für die Festlegung möglicher Standorte für Windenergie in Appenzell Innerhoden wurde bereits vor zehn Jahren im Rahmen der Richtplanrevision gestartet. Beschleunigt wurde der Prozess durch einen Entscheid an der Landsgemeinde 2021 zum revidierten Energiegesetz, als sich rund 60 Prozent der Stimmbevölkerung für die Förderung der Windenergie und die Realisierung einer Anlage im Gebiet Honegg in Oberegg aussprachen. So konnten die Arbeiten am Richtplan für die definitive Festsetzung des Standorts Honegg in Angriff genommen werden. Die Genehmigung durch den Bundesrat im April 2023 und die Ausarbeitung eines Sondernutzungsplanes und eines Umweltverträglichkeitsberichts folgten. Nach einer breiten Mitwirkung der Bevölkerung, an der sich 26 Privatpersonen und Organisationen mit schriftlichen Eingaben beteiligten, ist nun der kantonale Nutzungsplan Honegg am 12. August 2024 öffentlich aufgelegt.
Die Einpassung von Windparks in die hügelige Landschaft des Appenzellerlandes ist eine grosse Herausforderung. Die Standeskommission liess eine Landschaftsstudie erstellen und ist sich bewusst, dass auch nach dem Aufbau der Windräder eine weitere Entwicklung der Landschaft stattfinden muss. Nur so ist eine gelingende Eingliederung von Windrädern in die Umgebung möglich.
SG: Einwohnerinnen und Einwohner zu Beteiligten machen
Die St. Galler Regierungspräsidentin und Vorsteherin des Bau- und Umweltdepartements Susanne Hartmann umriss das Energiekonzept 2030. Mit diesem strebt die St. Galler Regierung das Netto-Null-Ziel bis 2050, eine massiv verbesserte Gesamtenergieeffizienz und den jährlichen Zubau erneuerbarer Energien von rund 2’000 GWh im Jahr 2020 auf mindestens 3’100 GWh bis 2050 an.
Im Kanton St. Gallen sollen die Einwohnerinnen und Einwohner in der Transformation der Energieversorgung Beteiligte und nicht nur Zuschauerinnen und Zuschauer sein. Das Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen führte dazu drei Dialogveranstaltungen mit den Vertreterinnen und -vertretern der St. Galler Gemeinden, Regionen und Gemeindewerken durch. Später luden Susanne Hartmann und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Ämter die Bevölkerung zu weiteren Dialogveranstaltungen ein. Ziel hier war die sachliche Information und vor allem der Austausch mit der Bevölkerung.
Die St. Galler Regierung wird an einer der nächsten Sitzungen die Richtplananpassung 23 verabschieden. Darin sind 17 Windeignungsgebiete im ganzen Kanton eingetragen und weitere mögliche abgebildet. Schon vor der Genehmigung durch den Bund haben zwei Energieunternehmen im Kantonssüden je eine Messanlage aufgebaut. Die daraus gewonnenen Messdaten sind Teil der umfangreichen Dokumentation eines allfälligen Vorprojekts. Im anschliessenden Bewilligungsverfahren ist der Kanton federführend: Ein kantonaler Sondernutzungsplan garantiert, dass sämtliche betroffenen Gemeinden und die Bevölkerung mitsprechen können.
TG: Gemeinsam für die Windenergie – Akzeptanzsteigerung durch lokale Mitwirkung und Beteiligung
Auch Regierungsrat Dominik Diezi hob die Bedeutung der lokalen Beteiligung und Mitwirkung sowie der Wertschöpfung für die Realisierung der Windenergie im Kanton Thurgau hervor und stützte sich dabei auf die Erfahrungen aus einem laufenden Projekt in Thundorf. Die Planungshoheit und Entscheidungsbefugnis über Änderungen des Teilzonenplans liegen im Kanton Thurgau bei den Gemeinden. Entsprechend entscheidet das Volk am 24. November 2024 über den Bau des Windparks. Ein zentrales Element der lokalen Mitwirkung stellt die repräsentative Begleitgruppe dar. Die Erfahrungen zeigen, dass diese Mitwirkung die Akzeptanz und Qualität des Projekts fördert. Ein Vorschlag zur Erschliessung beispielsweise verbesserte die Gesamtqualität des Projekts erheblich.
Aufgrund einer Motion aus dem kantonalen Parlament und gestützt auf die Erfahrungen aus dem Thundorfer Pionier-Windprojekt hat der Kanton Thurgau eine gesetzliche Grundlage für die lokale Mitwirkung und Beteiligung an Windenergieprojekten erarbeitet. Gegenstand der Gesetzesvorlage sind die Mitwirkung und Information, der Windzins, die Beteiligung an Windenergieanlagen sowie der Rückbau von Windenergieanlagen. Die Revision des Energienutzungsgesetzes befindet sich zurzeit in der öffentlichen Vernehmlassung.
ZH: Auch in Winterthur wären Windenergieanlagen möglich
Regierungsrat Martin Neukom verdeutlichte in seinem Referat die Rolle der Windenergie im Gesamtkontext der Energiestrategien von Bund und Kanton Zürich zur langfristigen Sicherstellung der Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Dazu läuft im Moment im Kanton Zürich der Richtplanprozess zur Festlegung von Eignungsgebieten für die Nutzung von Windenergie. Die Auswahl der möglichen Standorte werde zwar durch die Flughäfen Zürich und Dübendorf im Zentrum des Kantons eingeschränkt, doch es verbleiben genügend mögliche Gebiete, die sehr gut für die Nutzung der Windenergie geeignet sind. Darunter seien auch agglomerationsnahe Gebiete. Zwei mögliche Gebiete liegen sogar ganz oder teilweise auf dem Boden der Stadt Winterthur.
Der Kanton schaffe nun die planerischen Voraussetzungen, anschliessend sei es dann Aufgabe der Elektrizitätswirtschaft, entsprechende Projekt zu entwickeln. Auch Projekte lokaler Elektrizitätsversorger und Bürgerinitiativen seien sehr willkommen.
tg.ch
Symbolbild: David Keller