Mit Handlungskompetenzen beim Kunden punkten

Berufsbildungsforum 2021 Handlungskompetenzen 02

Die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion sprachen sich unisono dafür aus, Handlungskompetenzen in der dualen Berufsausbildung auf Kosten reiner Noten zu stärken.

Noten braucht‘s, erlernte Handlungskompetenzen sind aber besser. Dies war der Tenor am Thurgauer Berufsbildungsforum, das sich ganz der neuen Maxime in der Berufsbildung widmete.

Auch die 14. Ausgabe des Thurgauer Berufsbildungsforum wurde am Freitagnachmittag vom Thurgauer Gewerbeverband, der Industrie- und Handelskammer Thurgau und dem Kanton Thurgau im Weinfelder Kongresszentrum Thurgauerhof durchgeführt. 200 Berufsbildnerinnen und -bildner liessen sich in Referaten und in einem von Sabir Semsi, Romanshorn, moderierten Podium darüber informieren, wie die drei unterschiedlichen und doch aufeinander angewiesenen Bildungs-Player Berufsschule, überbetriebliche Kurse und Sekundarschule bei der Vermittlung von Handlungskompetenzen vorgehen.

Beziehungen stärken statt Wissen pauken

Eines betonten alle deutlich: mit den kommenden Berufsbildungsreformen erhält die Kompetenzorientierung einen höheren Stellenwert. Für Charly Solenthaler, Geschäftsführer des „Verband der Lebensmitteldetaillisten Schweiz», der die unabhängigen Lebensmittelhändler vertritt, ist Kompetenzorientierung bei der Ausbildung der Berufsnachwuchses das A und O. Zukünftig werde es an der Berufsschule keine fixen Schulfächer mehr geben, sondern vier Bereiche, in denen die jungen Verkäuferinnen und Verkäuferinnen Handlungskompetenzen erwerben. Nicht das Büffeln von Schulwissen stehe im Zentrum, sondern die Beziehung zum Kunden und das Eingehen auf dessen Wünsche. Es sei zentral, dass in Zukunft das Erlernte so im Beruf umgesetzt werden könne, dass die Servicequalität zum einen und die Kundenzufriedenheit zum anderen verbessert werde.

Handlungskompetenzen fördern Chancengleichheit

Seit acht Jahren werden an der Berufsfachschule Verkehrswegbauer in Sursee gezielt Handlungskompetenzen vermittelt. Das «Learning by doing» sei für viele Strassen- und Gleisbauer die einzig richtige Methode, denn «wir haben viele ausländische Lernende, die praktisch Hervorragendes leisten, aber im Deutsch schlecht sind», erklärte Schulleiter Christian Carlen. Dadurch, dass die «Baustelle ins Klassenzimmer gekommen» sei, sei die «Sinnhaftigkeit im Unterricht enorm gestiegen», so Carlen. Das habe bei den Lehrkräften zwar anfangs zu Unsicherheit und zu einem höheren Arbeitsaufwand geführt, doch sei es das wert gewesen, denn «mit dem Fokus auf die Handlungskompetenzen stehen bei uns nicht mehr Tests und Noten im Vordergrund, sondern die Lernenden und das Lernen an und für sich», so der Schulleiter, «und ausserdem wird so die Chancengleichheit erhöht».

Ohne Noten lernt’s sich leichter

Noten waren auch das Thema beim Schulpräsidenten der Volksschulgemeinde Eschlikon, Linus Köppel. Stellte dieser doch zusammen mit Philipp Rüdin, Schulleiter der Sekundarschule Eschlikon, das neue Zeugnis für die Volksschule Thurgau vor. Auch dieses würde mehr Handlungskompetenzen und nicht nur Testleistungen wiedergeben. So werden im Fach Deutsch bald nicht nur Noten, sondern auch Einzelaspekte schriftlich bewertet. Tatsache sei, dass viele Berufsbildner mit dem alten Zeugnis nicht zufrieden gewesen seien. Denn was bei einem Lehrer eine 6 in Deutsch gegeben hätte, hätte bei einem anderen auch nur eine 4,5 sein können. Die Diskrepanz in der Notengebung und die Schwierigkeit, Noten interkantonal zu vergleichen, hätten dazu geführt, dass Lehrbetriebe reinen Notenzeugnissen immer weniger Glauben schenkten, und vielmehr auf die Basis-Checks des eigenen Berufsverbandes setzten, so Köppel. Auch Rüdin, Schulleiter der Sekundarschule Eschlikon, wertete «Beobachtungen und Erfahrungen aus der Lernbegleitung» als ein wichtiges Mittel, um die Leistungen von Schülern einschätzen zu können. Ginge es nach ihm, so könnte er sich ein Schulzeugnis ohne, bzw. mit deutlich weniger Noten vorstellen. «Durch weniger Test könnten es sich die Schüler erlauben, mehr Fehler zu machen. Und in einer Schule, die eine Fehlerkultur erlaubt, lernt es sich leichter», so Rüdin.

Foto und Text: Christof Lampart

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