Markus Zingg, Mustafa Yurtsever, Katharina Degen, Marcel Schaer und Daniel Wessner informierten über die Herausforderungen und Chancen von älteren Stellensuchenden.
Stellensuchende über 50 Jahren sind besonders gefordert, wenn sie eine neue Anstellung finden möchten. Auch Markus Zingg erlebte dies so. Heute ist er als Geschäftsführer seiner Textilhandelsfirma wieder aktiv im Arbeitsmarkt. Er profitierte von der Integrationsberatung 50plus des Kantons Thurgau, eines von verschiedenen Integrationsangeboten des Amtes für Wirtschaft und Arbeit.
«Nach rund hundert Absagen leidet die Motivation unweigerlich und das Selbstwertgefühl sinkt», sagte Markus Zingg an einer Medienkonferenz. Für den stellensuchenden 59-jährigen Textilfachmann kam die Anfrage der Arbeitsmarktlichen Massnahmen (AM), eine Abteilung des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA), zur Teilnahme am Programm genau zum richtigen Zeitpunkt. Im Rahmen der Integrationsberatung 50plus wurde ihm ein umfassendes individuelles Coaching angeboten. Rückblickend sagte Zingg: «Ich war anfangs wirklich nicht begeistert und dachte, einmal mehr Standardprogramm mit unzähligen Fragebogen ausfüllen… Dank der intensiven und situativ angepassten Begleitung war ich aber rasch vom Gegenteil überzeugt.» Zingg baute seine Kompetenzen und Netzwerke aus und leitet heute seine eigene Unternehmung.
Motivation ist Voraussetzung
Mustafa Yurtsever von ProArbeit/Pro Placement ist einer der Berater und Beraterinnen, die im Auftrag der AWA-Abteilung Arbeitsmarktliche Massnahmen ältere Stellensuchende in sehr unterschiedlichen Situationen individuell coachen. «Die Teilnahme an den Programmen basiert auf Freiwilligkeit», erklärte Yurtsever, «denn die Motivation der Stellensuchenden ist zwingende Voraussetzung für den Erfolg.» Die intensiven Unterstützungsmassnahmen sind möglich dank verschiedener Massnahmen des Bundesrates zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotentials. Sie zielen laut AWA-Amtsleiter Daniel Wessner unter anderem darauf ab, dass Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich im eigenen Land rekrutieren. Diesbezüglich sagte er: «Die Massnahmen sind notwendig, denn durch den demografischen Wandel steigt der Anteil der Personen im Pensionsalter stark an. Im Jahr 2030 dürften rund eine halbe Million Arbeitskräfte auf dem Schweizer Arbeitsmarkt fehlen. Der Fachkräftemangel wird sich damit stark akzentuieren.»
Marcel Schaer, Leiter Arbeitsmarktliche Massnahmen (AM), begrüsste die erweiterten Unterstützungsmöglichkeiten für ältere Arbeitslose, betonte aber, dass es für eine Integration im Arbeitsmarkt die Bereitschaft von allen, also auch der Arbeitgeber sowie der Stellensuchenden braucht. Er sagte: «Die aktuellen Programme ermöglichen uns im Thurgau neue Ansatzpunkte, die der erschwerten Situation von älteren arbeitslosen Personen Rechnung tragen.»
Konkret handelt es sich bei den spezifischen Massnahmen um die Integrationsberatung 50plus sowie das Pilotprojekt «Supported Employment» – ein Angebot, das sich an vor der Aussteuerung stehende Stellensuchende über 50 Jahren wendet. Zudem wird den Stellensuchenden in einem neu entwickelten Kurs «digitale Agilität» vermittelt, denn am modernen, digitalisierten Arbeitsplatz müssen sich Angestellte kompetent und agil bewegen können. Damit es gar nicht erst zur Stellenlosigkeit kommt, setzt Schaer auf die bisherigen BIZplus-Beratungen sowie auf das in Vorbereitung stehende Programm «viamia», das ab dem kommenden Jahr berufliche Standortbestimmungen für Personen ab 40 Jahren anbietet. Beide Angebote werden in den Berufsinformationszentren (BIZ) Frauenfeld und Kreuzlingen durchgeführt und sind kostenlos.
Handlungsbedarf ausgewiesen
Wie eine Studie der Arbeitsmarktbeobachtung AMOSA aufzeigt, verfügen die Arbeitsmarktbehörden über ein breites Instrumentarium, um Stellensuchende zielgerichtet bei ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Punktuell besteht jedoch Handlungsbedarf in Bezug auf die Förderung der Stellensuchenden über 50 Jahren. Katharina Degen, Leiterin von AMOSA, verdeutlichte: «Ältere Arbeitnehmende verlieren zwar nicht häufiger ihre Stelle als jüngere; es dauert aber bei einem Stellenverlust länger, bis sie im Arbeitsmarkt wieder Fuss fassen, und sie müssen häufiger Erwerbseinbussen in Kauf nehmen.» Neben dem bewährten Instrumentarium bieten die bis maximal 2024 befristeten Unterstützungsmassnahmen nun zusätzliche Möglichkeiten, um die Konkurrenzfähigkeit älterer Arbeitnehmender zu stärken und die betreffenden Personen gezielt an die Anforderungen des Arbeitsmarktes heranzuführen.
Übersicht Programmangebote für ältere Stellensuchende [pdf, 132 KB]
Quelle: tg.ch