Beitragsbild: 1. Konferenz Frühe Förderung im Kanton Thurgau: Rund 180 Teilnehmende widmeten sich am Donnerstagabend der Frage, worum es dabei geht und wer in der Verantwortung steht.
Frühe Förderung ist in aller Munde. Rund 180 Teilnehmende widmeten sich am Donnerstagabend der Frage, worum es dabei geht und wer in der Verantwortung steht. Die kantonale Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen zeigte die aktuelle Situation im Kanton Thurgau auf. Zudem boten ausgewählte Projekte aus den Regionen einen Einblick in ihre Tätigkeiten. Was es aus wissenschaftlicher Perspektive bei der Frühen Förderung zu berücksichtigen gilt, veranschaulichte der Hauptreferent Prof. Dr. Martin Hafen von der Hochschule Luzern.
Frühe Förderung: Soll mein dreijähriges Kind in den Geigenunterricht oder ins Frühenglisch? So kann der Begriff verstanden werden. Darum geht es jedoch nicht. Jasmin Gonzenbach-Katz, Fachexpertin der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen, zeigte das Grundverständnis der Frühen Förderung auf: Vorschulkinder entdecken die Welt aus eigenem Interesse. Wichtig ist dabei die aufmerksame Begleitung der Bezugspersonen. So können Kinder vielseitige Erfahrungen machen. Dies ist grundlegend, hinterlassen die ersten Lebensjahre doch prägende Spuren im Leben eines jungen Menschen.
Mit der Geburt eines Kindes steht die Welt der Eltern erst einmal Kopf. Im Kanton Thurgau bestehen zahlreiche Angebote, die (werdende) Eltern in ihrer neuen Rolle unterstützen. Die Angebote können aber örtlich stark variieren. Deshalb unterstützt und fördert der Kanton Thurgau die Gemeinden beim Aufbau, der Koordination und der Weiterentwicklung von Angeboten. Auch die Vernetzung der Angebote ist zentral: So können gute Übergänge von der Schwangerschaft bis zum Kindergarteneintritt sichergestellt werden. Eltern und Kinder sollen dadurch für ihre Situation möglichst passende Unterstützung erhalten: von der Beratung über die Ernährung des Kindes bis hin zu Bewegungstipps, Spielideen oder Fragen rund um die Trotzphase.
Drei Angebote aus dem Kanton Thurgau stellen sich vor
Das Familienzentrum Region Weinfelden ist seit 2004 ein Ort der Begegnung, der allen Vorschulkindern und deren Bezugspersonen offensteht. Während regulären Öffnungszeiten, Kursen oder Anlässen haben Kinder die Möglichkeit, zusammen zu spielen, singen oder gestalten. Gleichzeitig können sich ihre Bezugspersonen untereinander austauschen und erhalten Informationen, falls sie zu einem bestimmten Thema weitere Unterstützung benötigen. Doris Brüschweiler, Präsidentin des Vereins, berichtet von rund 3’500 Besuchenden jährlich, die das Angebot nutzen.
Auch die Eltern-Kind-Gruppe Frauenfeld ermöglicht Kontakte zwischen Kindern und deren Bezugspersonen. Sie wird seit dem Jahr 2009 angeboten und richtet sich insbesondere an Familien mit Zugangsschwierigkeiten zu den Regelangeboten, wie zum Beispiel der Mütter- und Väterberatung. «Sie benötigen mehr Information und Beratung oder spezifische Unterstützung, um ihre Elternrolle wahrzunehmen», berichtete Nadja Witzemann, Bereichsleiterin Frühe Förderung und Kinderbetreuung der Stadt Frauenfeld. In der Eltern-Kind-Gruppe erfahren die Eltern, wie sie die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder so gestalten können, dass sich ihr Kind möglichst altersgerecht entwickeln kann. Das Angebot der Eltern-Kind-Gruppe ist eingebettet in die gemeinsame Strategie Frühe Förderung der Stadt und der Primarschulgemeinde Frauenfeld.
In Arbon trägt die Kooperation der Stadt mit den drei angeschlossenen Primarschulgemeinden Früchte: Das Programm «Gratis in die Spielgruppe» beinhaltet einen kostenlosen Spielgruppenbesuch der Kinder während eines Jahrs, wenn die Eltern am Elternbildungsprogramm teilnehmen. Im Verlauf der Projektzeit wurden sowohl die Angebote weiterentwickelt als auch die Anspruchsberechtigung definiert. Die aktuelle Konstellation bietet den Vorteil, dass Kinder verschiedener sozialer Schichten und kultureller Hintergründe gemeinsam eine Spielgruppe besuchen und voneinander lernen können. «Gleichzeitig nutzen die Eltern Bildungskurse und werden so in ihrer Erziehungsaufgabe gestärkt», berichtete Annette Beichl, Leiterin der Koordinationsstelle Frühe Förderung Arbon.
Frühe Förderung zwischen Qualität und Pragmatik
Hauptreferent Prof. Dr. Martin Hafen von der Hochschule Luzern verdeutlichte in seinen Ausführungen die verschiedenen Perspektiven der kindlichen Entwicklung: «In der frühen Kindheit werden prägende Elemente, sozusagen das Fundament, der weiteren Entwicklung gebildet. Das Vertrauen in die Bezugspersonen bildet die Basis für die Beziehungsgestaltung, wirkt sich auf das Erkundungsverhalten aus und ist einer der Schutzfaktoren, um herausfordernde Situationen – auch im späteren Leben – zu meistern». Studien zeigten den Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit sowie den Einfluss von Stress in der Schwangerschaft auf die kindliche Entwicklung. Frühe Förderung sei als ganzheitliches Lernen zu verstehen und das freie Spiel ein zentrales Element davon. «Deshalb sind Investitionen in diese frühe Phase des Lebens sowohl aus individueller als auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive besonders lohnenswert», so Hafen.
Auch aufgrund der sich verändernden Familienformen und Rollenbilder gewinnen Angebote der Frühen Förderung zunehmend an Bedeutung. Dabei sollten die Fachpersonen sowohl Wissen als auch praktisch-methodische Kompetenzen aufweisen. Hafen sieht vier zentrale Handlungsbereiche: Die familienergänzende Kinderbetreuung, die frühkindliche Sprachförderung, die aufsuchende Familienbegleitung und die Elternbildung und -beratung. «Kinder zu haben, ist nicht nur Privatsache. Die frühe Kindheit ist die wichtigste Bildungsphase», so Hafen abschliessend.
Zahlreiche Marktstände im Foyer boten einen bunten Einblick in verschiedene Angebote: von der Weiterbildung für Fachpersonen, Beratung für Spielgruppen und Kitas, Angebote zur Leseförderung, Bewegungsförderung bis hin zu aufsuchenden Angeboten.
Quelle: tg.ch